Dr. Rolf D. Eckenroth

Dozent für Fotografie

 

Rede zur Eröffnung der Fotoausstellung von Peter Jäschke

“Alexandrowka€“ - ein Denkmal der Freundschaftâ€ft

 

Gehalten am 18. Januar 2015

im Mehrgenerationenhaus Stuhr-Brinkum

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Freundinnen und Freunde der Fotografie, geschätzte Fotografenkolleginnen und kollegen,

lieber Peter Jäschke,

es freut mich, dass sich heute wieder einige für die Fotografie aus der Region, bzw. einen Fotografen aus der Region interessieren und sich die Zeit genommen haben, zu dieser Vernissage zu kommen.

Den Fotografen Peter Jäschke muss ich hier und jetzt nicht vorstellen. Sie kennen ihn sicher oder haben in den letzten Tagen auf seine Website geschaut und dort einiges über sein bisheriges Schaffen gelesen.

Falls nicht: www.blende47.de

Dann können wir gemeinsam die Frage erörtern: Wie geht man fotografisch “ und auch sonst “ mit einem Denkmal um?

Ist es sinnvoll, ein Denkmal so gut wie möglich im Originalzustand zu erhalten?

Das ist auf Dauer schwierig, wenn nicht unmöglich. Wer will schon in ein Gebäude einziehen, in dem es keine Heizung, kein Bad, kein WC, kein elektrisches Licht und nicht einmal ein modernes Türschloss gibt.

All dieses existierte zur Bauzeit in der Alexandrowka nicht . Die Häuser wurden erhalten, indem man die Nutzung mit geringfügigen Neuerungen zuließ, die aber in den grundsätzlichen Charakter der Bauten nicht gravierend eingriffen. Nur so konnten sie kostengünstig erhalten werden.

Das geht nicht immer so einfach. Es gibt z. B. seit Jahren einen Wissenschaftlerstreit darum wie die Restaurierung der Baracken in Ausschwitz vorgenommen kann, muss, soll.

Was ist eigentlich ein Originalzustand?

Ist dessen haargenauer Erhalt wirklich wichtig?

Ein Beispiel: Die Wege im Babelsberger Park (Schloss B., Potsdam) waren historisch aus einer merkwürdigen hellgrauen Mischung aus Lehm und Sand hergestellt.

Der Nachteil dieser Mischung: Sie wurde bei Regen weich und in den Pfützen wurde das Wasser ebenfalls hellgrau und bespritzte den auf ihnen gehenden die Hosen bzw. Kleider bis in Knie-e in genau diesem Hellgrau.

Ich verbringe gelegentlich mit engagierten Fotografinnen und Fotografen Zeit in diesem Park, um dort der Architektur-  und Landschaftsfotografie nachzugehen.

Nach jedem Regenguss verfluchen alle Teilnehmenden den Kurator  der Stiftung Preussischer Schlösser und Gärten, der darauf bestanden hatte, die historische Matschmischung wieder auf die Wege aufzutragen mit der Begründung, die sei ja original. Die Fotografierenden sehen nach solchen Fototerminen aus als kämen sie aus einem Schlammbad.

Ich denke, eine gleich grau aussehende wassergebundene Sandschicht, die das Wasser nicht staut, sondern im Boden versickern lässt, hätte nicht in den historischen Charakter der Parkanlagen eingegriffen und genau so gut einen inhaltlichen Zugang zu den Objekten erlaubt.

Und jetzt ein Beispiel aus der Moderne:

Die Fenster im Bauhaus von Dessau. Die sind u.a. aus schnell rostenden Eisenriemchen gefertigt. Bei der Restaurierung hat dort der Kurator auch auf diesen rostenden Riemchen bestanden, obwohl das Metall unter grauer Farbe liegt.

In die Kasse der Bauhausstiftung reißen nach dieser Entscheidung die Erhaltungskosten für die Fenster jährlich ein Riesenloch. Nichtrostendes Material hätte es unter der grauen Farbe sicherlich auch getan.

Materialtreue macht nur dann einen Sinn, wenn das Material überhaupt erkennbar ist.

Nun aber zur Fotografie allgemein und zu den Fotos dieser Ausstellung:

1826 - also im Entstehungsjahr der Alexandrowka, wurde die Fotografie erfunden.

1839 - wurde die Fotografie zum Patent angemeldet.

Man hätte die Siedlung also kurz nach ihrem Entstehen fotografisch dokumentieren können, wenn auch nur in Schwarz/Weiß.

Wären diese Fotos aus heutiger Sicht Originale?

Frühestens hundert Jahre später, in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wären Farbaufnahmen möglich gewesen, also etwa zum Zeitpunkt der Olympiade in Berlin.

Erst seit dieser Zeit werden industriell Farbfilme hergestellt.

Wären Farbaufnahmen keine Originale?  Wenn nicht, was dann?

Der Fotograf Peter Jäschke stand vor einem zusätzlichen Dilemma:

Er fotografierte die Alexandowka digital, also in einem Verfahren, in dem man mit Form und Farbe willkürlich umgehen kann (nicht muss).

Andererseits:

Die Digitalfotografie kann von der Schärfe her, dem Tonumfang nach und hinsichtlich der Farbe wesentlich wirklichkeitsnäher und kontrollierter die Dinge reproduzieren als alle anderen fotografischen Verfahren vorher.

Peter Jäschke entschied sich als Fotograf nach reiflicher Überlegung und langwieriger Erprobung für eine begründbare Doppelstrategie:

Er separierte über die digitale Software das wesentliche Element der Alexandrowka-Bauten “die Holzwände€“ von den übrigen Bildgegenständen und wies ihnen einen warmen Schwarzton zu, der einerseits dem Baumaterial Holz und andererseits der historischen Baryt-Fotografie des 19. Jahrhunderts gerecht wird.

Die anderen Bildgegenstände werden in den Ausdrucken farbig wiedergegeben, liegen also gefühlt näher am 21. Jahrhundert mit seinen modernen, visuellen Farbmedien.

Nur so konnte ein Spannungsfeld von bunter (rot, grün, blau) und unbunter (schwarz, grau, weiß) Farbe entstehen.

Ob dies nun eine repräsentative Lösung kunsthistorischer oder ästhetischer Probleme darstellt oder nicht:

Wie schön, dass Peter Jäschke diesen Weg gegangen ist.

Er zeigt hier eine mögliche Fotografie-Variante eines bewussten Umgangs mit einem historischem Bestand auf, die er exemplarisch durchgeführt hat.

Ich wünschte mir, alle Fotografen würden sich so lange und so viele Gedanken bei der Umsetzung ästhetischer Gestaltungskonzepte machen.

Dafür, Peter, vielen Dank - und Ihnen, liebe Betrachter, viel Vergnügen mit den Fotografien!

 

Kontakt:  dr.eckenroth@t-online.de  0421 4985894

Peter Jäschke Delmenhorst

Fine-Art Fotografie