„La Grande Motte - Visionen mit Licht und Schatten“

Dr. Rolf D. Eckenroth

Rede anlässlich der Vernissage der Fotoausstellung von Peter Jäschke

am 28. September 2001 im Lichthof der VHS-Delmenhorst

 

Wozu schaut man sich eigentlich Fotos an?

Zwei Motive liegen nahe: Erstens, weil man etwas wissen möchte und zweitens, weil es Spaß macht.

Die Frage, die ich mir gestellt habe bei Peter Jäschkes Fotos ist: was und wie viel muss man wissen um Fotos “richtig" zu interpretieren?

Mal ehrlich und unter uns: Wer kennt schon Monsieur Jean Balladur?

Wer weiß schon, dass er der Architekt der hier fotografisch abgebildeten Gebäude ist?

Wen interessiert es, dass er zunächst Philosophie studierte und sich erst später der Architektur zuwandte?

Wer hat schon davon gehört, dass Monsieur Balladur in seinem Schaffen vom Bauhaus beeinflusst wurde?

Ach, ja, was heißt hier überhaupt “Bauhaus"? Fast jeder Architekt der “€žNeuen Heimat" der 60er/70er Jahre oder irgendeines VEB Hochbau der DDR behauptete, irgendwie in der Tradition des Bauhauses zu stehen.

Schaut man nun auf die Fotos von Peter Jäschke, fällt einem auf, dass die abgelichteten Gebäude überhaupt nicht aussehen wie die “Schuhkartons" der VEB-Neue-Heimat-Spät-Bauhäusler.

Muss man an dieser Stelle jetzt auch noch wissen, dass Balladur auf die Idee für seine Bauten angesichts der indianischen Pyramiden in Mexiko kam?

Hilft es uns als Betrachter weiter, wenn man gelesen hat, dass Balladur seine Loggien und Außengänge zwecks Schaffung von Schatten gestaltet hat wie die italienischen Baumeister der Renaissance es taten?

Bringt es was, wenn man die Information hat, dass der Fotograf studierter Ökonom ist und als solcher sofort einsieht, dass man die Teilnehmer am Massentourismus nicht in der weiten Fläche der Natur unterbringen kann, sondern man sie - wie hier in La Grande Motte - in die Höhe stapeln muss?

Alle bisherigen Fragen kann man begründeterweise mit JA UND mit NEIN beantworten,

DENN:

Peter Jäschkes Fotografie geht über das Angebot zum wissensgesteuerten Verstehen, zur reinen Informationsentnahme weit hinaus:

Er spricht die subjektive Seite des Betrachters an, wendet sich an dessen Emotionen, löst unterschwellige Assoziationen aus.

So hat Peter Jäschke eine große Freude am Spiel des Lichts auf den Dingen, wodurch diese Dinge in andere verwandelt werden.

Er lässt sich überraschen von den immer neu entstehenden Schattenfiguren, die auf seinen Bildern ein starkes Eigenleben führen.

Er steckt die Kameranase in die engen Durchblicke, entdeckt verblüffende Formen, verharrt still vor Licht-Schatten-Form-Gestalten, die etwas Erhabenes besitzen.

Man vergisst angesichts von Peter Jäschkes Fotos fast, dass die abgelichtete Architektur aus Stahl und Beton besteht, denn der Fotograf hat ganz sinnliche Bilder geschaffen, die im Betrachter das Bedürfnis aufkommen lassen, die Oberflächen mit den Händen zu berühren und sich in das warme Mittelmeerlicht dieser Fotos zu setzen.

Wer sich dagegen die standardmäig runter fotografierten Katalogfotos aus der bunten La Grande Motte-Werbung ansieht, begreift sofort, was Peter Jäschke leistet.

Solche spannenden und anregenden Fotografien wie Peter Jäschke sie präsentiert schafft man nur mit wacher fotografischer Wahrnehmung, hohem zeitlichen (und finanziellem!!) Aufwand, fundiertem Wissen um komplexe Bildgestaltung sowie gediegenem technisch-handwerklichem Können.

Peter Jäschke ist einer, der um jedes Bilddetail ringt, um jeden Grauton kämpft und niemals “halbe Sachen" macht, sondern mit Sorgfalt und selbstkritischer Haltung vorgeht.

DAS sieht man den Fotografien an. Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, das, was ich beim Anschauen der Bilder auch hatte:

Viel Vergnügen!!

 

 Dr. Rolf D. Eckenroth

Leiter der Fotogalerie im Medienzentrum Bremen

Lehrbeauftragter an der Universität Bremen

Dozent an der Volkshochschule Bremen

 

 

Peter Jäschke Delmenhorst

Fine-Art Fotografie